Wie sich flüchtige Emissionen reduzieren lassen
Effektive Strategien zur Senkung flüchtiger Emissionen sowie zur Dekarbonisierung
Mike Aughenbaugh, Associate Target Market Manager, Swagelok
Der Wandel in der Öl- und Gasindustrie wird von vielen unterschiedlichen Faktoren vorangetrieben. Aufgrund wachsender Bestrebungen zur Dekarbonisierung und der Anerkenntnisurteile der US-amerikanischen Environmental Protection Agency (EPA) wird es für Anlagenbetreiber und -eigentümer zunehmend wichtiger, flüchtige Emissionen zu erkennen sowie zu verringern.
Flüchtige Emissionen sind für Betreiber und Eigentümer längst nicht nur ein Umweltproblem – denn ohne entsprechende Vorkehrungen können sie sich schnell auf die Profitabilität eines Unternehmens auswirken. Zudem sind zur Einhaltung bestehender Emissionsvorschriften möglicherweise Änderungen in Ihrer Supply Chain bzw. an Ihren Projekten erforderlich. Vor allem in Anlagen, in denen gefährliche Gase und Flüssigkeiten verarbeitet werden, können flüchtige Emissionen außerdem zu einer schwerwiegenden Gefahr für die Umwelt sowie für die Gesundheit und die Sicherheit der Mitarbeiter werden.
Die Beseitigung flüchtiger Emissionen und die Umsetzung von emissionsarmen Verfahren ist jedoch alles andere als einfach. In diesem Artikel finden Sie alle wichtigen Informationen rund um flüchtige Emissionen sowie effektive Strategien, um diese zu ermitteln und zu beseitigen.
Was sind flüchtige Emissionen?
Bei flüchtigen Emissionen handelt es sich um eine unkontrollierte Freisetzung von Gasen aus der Prozessausrüstung, die hauptsächlich auf unerwünschte Leckagen zurückgeht. Insbesondere flüchtige organische Verbindungen (Volatile Organic Compounds – VOC) wie Benzol, Methan und Ethanol stellen hierbei ein großes Problem dar. Da VOC die Luftqualität beeinträchtigen und zur Ozonbildung beitragen, haben Regierungsbehörden gesetzliche Grenzwerte für flüchtige Emissionen festgelegt. Bei einer Verletzung dieser Vorschriften ist mit erheblichen Strafzahlungen zu rechnen.
In den meisten Anlagen sind etwa 62 % aller unkontrollierten VOC-Emissionen auf Ventile zurückzuführen.
Dynamische und statische Dichtungen an Ventilen, Pumpen und Flanschverbindungen zählen zu den häufigsten Stellen für die Freisetzung von flüchtigen Emissionen. So gehen schätzungsweise ca. 62 % aller unerwünschten VOC-Emissionen auf Ventile zurück. Aus diesem Grund setzen viele Anlagenbetreiber auf emissionsarme Ventile, mit denen flüchtige Emissionen nachweislich reduziert werden.
Was ist ein LDAR-Programm (Leak Detection and Repair)?
Mit LDAR-Programmen (Leak Detection and Repair) wird das Ziel verfolgt, die regelmäßigen Leckageerkennungs- und Überwachungsmethoden der EPA nachzubilden. Bei Ventilen umfasst das EPA-Audit sowohl die Überprüfung der schriftlichen Dokumentation als auch der Emissionen an den Ventilen direkt vor Ort. Anlagen mit einem solchen LDAR-Programm setzen vorrangig die folgenden Methoden zur Senkung flüchtiger Emissionen ein:
- Umsetzung eines umfassenden Maßnahmenplans, in dessen Rahmen Leckagen durch eine Prüfung von Ventilen und anderen Verbindungen anhand der Methode 21 der EPA ermittelt werden
- Ermittlung, Dokumentation und Reparatur von Leckagen innerhalb eines festgelegten Zeitraums
- Verringerung der zulässigen Leckagegrenzwerte an Ventilen, Verbindungen und Pumpen
Hierbei ist zu beachten, dass sich die Methode 21 der EPA lediglich auf die Erkennung und Klassifizierung von Leckagen an derzeit installierten Ventilen bezieht. Sie dient hingegen weder zur direkten Ableitung der Massenemissionsraten aus einzelnen Quellen noch zur Feststellung, ob ein Ventil als emissionsarm klassifiziert werden kann.
Was genau sind emissionsarme Ventile?
Neben der zuvor erwähnten Einführung eines LDAR-Programms besteht eine weitere Anforderung aus Anerkenntnisurteilen darin, dass alle künftig neu beschafften Ventile (im Rahmen von Instandhaltungs-, Reparatur- und Betriebsabläufen sowie neuen Projekten) auf die Reduzierung flüchtiger Emissionen ausgelegt sein müssen. In vielen Anerkenntnisurteilen der EPA bleibt es allerdings dem betreffenden Unternehmen überlassen, wie genau solche emissionsarmen Ventile definiert werden. In der Regel gibt es mehrere Methoden, mit denen ein Ventil als emissionsarm eingestuft werden kann. Es liegt im Ermessen des Anlagenbetreibers, ob die folgenden Herstellerangaben zu den betreffenden Ventilen hierfür herangezogen werden:
- Schriftliche Garantie, dass bei dem Ventil eine Leckage von mehr als 100 ppm über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgeschlossen ist
- Schriftliche Garantie, Zertifikat oder vergleichbares Dokument zum Nachweis, dass das Ventil nach allgemein anerkannten Regeln der Technik getestet wurde und eine Leckagerate von weniger als 100 ppm aufweist
Die schriftliche Herstellergarantie ist eine scheinbar einfache Lösung zum Nachweis, dass in einer Anlage emissionsarme Ventile zum Einsatz kommen. Mit dieser Garantie gewährleistet der Hersteller, dass eine Leckage von mehr als 100 ppm über einen Zeitraum von fünf Jahren ausgeschlossen ist. Für den Fall, dass es dennoch zu einer Leckage kommt, sollten jedoch die Auswirkungen einer solchen Ventilleckage entsprechend berücksichtigt werden. Welche Ausgleichsmaßnahmen werden für eine mögliche Leckage getroffen? Ist die Garantie lediglich auf den Austausch des undichten Ventils beschränkt? Sind die für den Ventilaustausch anfallenden Kosten erstattungsfähig?
Bei einer alleinigen Berufung auf die Herstellergarantie setzt sich der Anlagenbetreiber allerdings dem Risiko aus, dass die vom Hersteller bereitgestellten Ventile entweder beabsichtigt oder unbeabsichtigt eine höhere Leckagerate als 100 ppm aufweisen. Gerade wenn Prüfmethoden zur Bestimmung der erforderlichen Leckagerate eines Ventils vorliegen, birgt eine Herstellergarantie alleine einfach zu viele Unsicherheiten für Anlagenbetreiber.
Emissionsprüfungen
In vielen Anerkenntnisurteilen der EPA wird schriftlich festgehalten, dass der Ventilhersteller eine Garantie vorlegen kann, dass das Ventil nach den allgemein anerkannten Regeln der Technik getestet wurde und eine Leckagerate von maximal 100 ppm aufweist. Diese „allgemein anerkannten Regeln der Technik“ können dabei von Anlagenbauern und Umwelttechnikern unterschiedlich ausgelegt werden – z. B. kann die Prüfung des Herstellers in gutem Glauben erfolgen oder auf den tatsächlichen Prozessbedingungen basieren. Bei einer Prüfung durch den Hersteller muss der Anlagenbetreiber gewisse Risiken in Kauf nehmen. Außerdem können so auch Unsicherheiten bei der Ermittlung entstehen, ob die Ventile tatsächlich zu geringeren flüchtigen Emissionen beitragen.
Glücklicherweise haben das American Petroleum Institute (API) und die Internationale Organisation für Normung (ISO) branchenweit geltende Prüfungen entwickelt, die eine entsprechende Klassifizierung von Ventilen regeln. Hierzu gehören:
API 624 beschäftigt sich mit der Prüfung von Absperrventilen mit geradem Durchgang. Als Prüfmedium wird Methan verwendet. Das Ventil muss über 310 Zyklen und drei thermische Zyklen (Prüfung bei Umgebungstemperatur, erhöhter Temperatur und anschließend wieder bei Umgebungstemperatur) eine Leckagerate von unter 100 ppm Methan aufweisen.
API 641 spezifiziert die Prüfung von Kugelhähnen. Auch hier kommt Methan als Prüfmedium zum Einsatz. Alle nach diesem Standard getesteten Ventile müssen über 610 Zyklen und drei thermische Zyklen eine Leckagerate von unter 100 ppm Methan aufweisen.
ISO 15848-1 ist eine Testmethode zur Prüfung der externen Leckage an Ventilspindeldichtungen (oder Ventilspindeln) sowie an Verbindungsstellen an Absperr- und Regelventilen. Bei der Prüfung werden Helium oder Methan durch das Ventil gepumpt und die entweichenden Gasmengen digital gemessen. Da sich die Testmethode sowohl auf Dichtungen als auch Verbindungsstellen bezieht, wird sie auch als ganzheitliches Verfahren zur Ventilprüfung angesehen. Sie beinhaltet angemessene Vorgehensweisen zur Messung, Prüfung und Qualifizierung flüchtiger Emissionen. Da diese Prüfungen jedoch nicht unter regulären Prozessbedingungen stattfinden, können die Ergebnisse mitunter irreführend sein.
Bei den API-Prüfungen gibt es lediglich die beiden Möglichkeiten „bestanden“ oder „nicht bestanden“. Bei Bestehen wird das Ventil entsprechend als emissionsarmes Ventil klassifiziert. Bei der Beschaffung von Ventilen sollte allerdings beachtet werden, dass es nach dem ISO-Standard verschiedene Einstufungen gibt, in die die Ventile je nach Prüfergebnis eingeordnet werden. Gemäß ISO ist es demnach möglich, dass ein für geringere flüchtige Emissionen eingestuftes Ventil die EPA-Anforderung von maximal 100 ppm nicht einhält. Für Dichtheitsklasse CM ist beispielsweise eine Leckagerate zwischen 100 ppm und 500 ppm Methan definiert.
Darüber hinaus gibt es in der ISO-Norm keine Korrelation zwischen den Dichtheitsklassen für das Prüfmedium Helium (Klassen AH, BH und CH) und den Klassen für das Prüfmedium Methan (Klassen AM, BM und CM). Das liegt unter anderem daran, dass die Ergebnisse für die verschiedenen Medien unterschiedlich ausfallen. Wenn die Prüfung mit Helium anstelle von Methan durchgeführt wird, wird die Leckagerate proportional zum Kegeldurchmesser angegeben. Die Durchflussrate bei atmosphärischem Druck wird dabei in Kubikzentimetern pro Sekunde angegeben (atm-cm3/s). Dieser Wert spiegelt eher die Leckagerate als eine gemessene Konzentration in ppm wider. Allerdings gibt es keine Methode zur Umrechnung von atm-cm3/s in ppm. Aus diesem Grund lässt sich bei Prüfungen mit Helium nicht auf den ersten Blick erkennen, ob die EPA-Anforderung von „100 ppm oder weniger“ eingehalten wird.
Im Idealfall sollten diese Prüfungen in einem unabhängigen Testlabor und nicht direkt vom Hersteller selbst durchgeführt werden. Wenn der Ventilhersteller mit einem Prüflabor zusammenarbeitet, wird die Einhaltung der geltenden Normen durch einen unabhängigen Dritten nachgewiesen. Der Ventilhersteller sollte die Zertifizierung anschließend in die Ventildokumentation aufnehmen und dabei auch das Siegel des unabhängigen Prüflabors, den Ort der Prüfung sowie die Prüfergebnisse angeben.
Best Practices zur Senkung flüchtiger Emissionen
Neben den zuvor beschriebenen Tipps für die Auswahl emissionsarmer Ventile gibt es noch einige Best Practices, um die Wahrscheinlichkeit von Leckagen und flüchtigen Emissionen im Betrieb zu verringern:
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Ob es um die Auslegung eines neuen Systems oder die Verbesserung Ihres LDAR-Programms geht – mit zertifiziert emissionsarmen Ventilen bekommen Sie flüchtige Emissionen im Handumdrehen in den Griff. Durch die frühzeitige Spezifizierung und Verwendung von zertifizierten Ventilen beugen Sie einer kostspieligen Nachrüstung zur Einhaltung von Umweltschutzvorschriften vor. Zudem stellen Sie so sicher, dass Sie im Hinblick auf Best Practices zum Umweltschutz stets auf dem neuesten Stand sind.
Bei der Auswahl der passenden Lösungen zur Reduzierung flüchtiger Emissionen in Ihrem Betrieb stehen Ihnen unsere erfahrenden Fluidsystemexperten gerne zur Seite. Erfahren Sie mehr über die Evaluierungs- und Beratungsservices von Swagelok. Darüber hinaus bietet Swagelok ein umfassendes Produktportfolio an zertifiziert emissionsarmen Prozess- und Instrumentventilen sowie Kugel-, Nadel-, Absperr- und Entlüftungsventilen, die die API-Anforderungen ohne Änderungen an der Auslegung erfüllen (d. h. die maximale Leckagerate für Methan bei den Prüfungen betrug 100 ppm). Wenn Sie eines der Produkte in Ihren Fluidsystemen einsetzen möchten, wenden Sie sich jederzeit gerne an Ihr zuständiges Vertriebs- und Servicezentrum. Hier erhalten Sie entsprechende Zertifikate sowie Antworten auf sämtliche Fragen in diesem Zusammenhang.
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